[ Handlung ] [ Weitere Info ]

Title La migliore offerta
Originaltitle: La migliore offerta
Regie: Giuseppe Tornatore
Darsteller: Geoffrey Rush, Jim Sturgess, Donald Sutherland, Sylvia Hoeks
Erscheinungsjahr: 2013
Land: Italien
Stichwort: Anfälle, Agoraphobie, Aphephosmophobie, Panikattacke, Platzangst, zzurV
Release: 00.00.0000

Handlung
Der alternde doch international geschätzte Auktionator und Kunstkenner Virgil Oldman trägt ständig Handschuhe, denn er leidet an „Berührungsangst“. Frauen sind für ihn rätselhafte Wesen, deren Reizen er in einer immensen und millionenschweren Porträtsammlung näher zu kommen hofft. Bis er der jungen und attraktiven Claire begegnet, die ihm ihre Familienerbe zum Verkauf anbietet, sich aber weigert, ihm von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Sie leidet an einer extremen Form von Agrophobie. Der Mangel an sozialer Erfahrung macht aus beiden ein höchst ungleiches Liebespaar. Wie ungleich, das findet Virgil erst am Ende heraus, als er - der Welt verloren - in einem Heim für Demenzkranke landet.


Weitere Info
Angst kann der beste Nährboden für Täuschung sein. Dass muss der Kenner antiquarischer Schätze Virgil Oldman leidvoll erfahren. Angst vor menschlicher Berührung bestimmt sein Leben. Er bewegt sich geschickt und elegant in der Welt der Kunstschätze und –liebhaber. Er verkauft den wertvollen Schein der Kunst an den, der das höchste Gebot macht (La migliore offerta). Beruflich ist er allgegenwärtig als Kenner und Verkäufer. Persönlich aber möchte er sich am liebsten alle vom Leibe halten.
Deswegen trägt er unausgesetzt Handschuhe, von denen er eine bemerkenswerte Sammlung besitzt. Seine Krankheit ist Ärzten als Aphephosmophobie, Berührungsangst bekannt. Am meisten zu schaffen machen Virgil die Frauen. Er meidet sie und ist von ihnen so fasziniert, dass er kunstvolle Porträts von ihnen aus vielen Jahrhunderten sammelt. Diese bewahrt er an den Wänden eines tresorartigen Raumes auf und befragt sie zuweilen mit Andacht und mutterseelenallein. Eine Frau ist es dann, Claire, die ihn aus der Reserve lockt.
Sie wiederum leidet an einer extremen Form von Agrophobie. Seit einer traumatischen Trennung nach einer Pragreise verlässt sie das Haus ihrer reichen Eltern nicht mehr und lebt von allem und jedem abgeschieden. Sie verhandelt mit dem Auktionator ausschliesslich über Telefon und durch die verschlossene Tür. Er soll ihr Familienerbe unter den Hammer bringen, das in einer mächtigen und verstaubten Villa in einer nicht genannten Stadt verborgen ist.
Der Auktionator willigt schliesslich einBei der Inspektion der Räume findet Oldman nicht nur beachtliche Kunstschätze sondern auch einige zusammenhängende Zahnräder aus dem 17. Jahrhundert. Er nimmt sie an sich und lässt sie von einem so jungen wie beschlagenen Restaurator beurteilen. Nach dessen Urteil gehören die Zahnräder zu einem antiken Automaten, der menschliche Aktionen täuschend ähnlich nachzumachen im Stande war. Nach und nach liefert Oldman ihm weitere Teile des „Uhrwerks“, die er in der Villa findet, bis zuletzt der Automat fertig ist und mit künstlicher Stimme verkünden kann, dass in jeder Fälschung ein Körnchen Authentizität verborgen ist.
Aber diese versteckte Warnung kommt zu spät; denn Oldman ist blind vor Liebe einer Täuschung aufgesessen, die ihn um alles bringen wird und die hier nicht verraten werden darf, um dem Besucher des Films nicht die Freude an der spannenden und unterhaltenden Filmerzählung eines Filmautors zu nehmen, dessen Beruf das Vortäuschen des Realen nun mal ist.
Man muss nicht an Berührungs- oder Platzangst leiden, um täglich erfahren zu können, wie die Angst das Leben verbiegt und blockiert. Nicht selten stehen dahinter keine gefährlichen Realitäten sondern "nur" ängstigende Erwartungen. Ankündigungen und Voraussagen – seien sie noch so harmlos wie die Wettervorhersagen oder die Staunachrichten – täuschen höchst real einen ständig gefährdeten Tageslauf vor. Ein Körnchen Wahrheit enthalten sie allemal, das auszumachen indessen schwer fällt.
Oldman berührt niemand, weil er Berührung nicht ertragen zu können glaubt. Claire sieht niemanden, weil sie Gesehenwerden nicht aushalten zu können behauptet. Zu erfahren, ob ihre ängstigenden Erwartungen real sind, das vermeiden beide mit Eifer. Der Lohn solcher Angstbekämpfung ist die Isolation, nicht weniger ängstigend als das gefürchtete Übel selbst.
Tornatore bedient sich der Symptome seltsam klingender aber durchaus realer psychischer Leiden, um in erster Linie einen an Hitchkocks Angstszenarien orientierten Thriller zu konstruieren. Wie Hitchkock unterhält er zudem seine Zuschauer mit einer bedenkenswerten Sicht auf unser aller Ängste. In den Wendungen und „Falten“ des von ihm erzählten Falles aus der Welt der Kunst und des Kunsthandels sind – wie nicht selten bei Hitchkock - kleine Hinweise fast verborgen, die Angst wenn nicht verhindern so doch lindern könnten.

Vor allen Dingen erweist sich bei genauerem Hinsehen der scheinbar so aufrechte Auktionator als geschickter Preisfälscher. Er gibt über einen Mittelsmann sich selbst den Zuschlag für Frauenporträts, die er weit unter Wert begutachtet hat. Die Zahnräder, die er im Grunde aus der Masse der zu bewertenden Besitztümer von Claire entwendet, lässt er zu einem wertvollen Kunstwerk zusammensetzen. Dabei hat er gleich anfangs erkannt, dass sie ihn wie an einem Angelhaken in das Netz der Täuschungen ziehen sollen, denen er am Ende erliegt. Was ihn dazu bestimmt haben kann, die Falle nicht zu erkennen, wird im Film nicht erwähnt. Ob es die angstvolle Sucht nach dem Coups gewesen ist, die ihm diesmal zum Verhängnis wird? Oder ist es eine erotische Faszination am noch Verhüllten?
Ganz zum Schluss seines Lebensabenteuers, begegnet Oldman einer kleinwüchsigen, rätselhaften Frau, die sein Treiben ununterbrochen zählend vom Fenster eines Cafés aus verfolgt hat. Sie wird ihm die Auflösung seines letzten Lebensrätsels schenken. Sie liegt in der schlichten Wahrheit, dass das beste Heilmittel gegen alle Ängsten ist, eins und eins nüchtern zu addieren und sich nicht von Mystifikationen und Wunschdenken an der Nase herumführen zu lassen.
12.1.2013


Copyright © 1998-2006 by Nikotto
modified by xiah