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Title nuts.... durchgedreht
Originaltitle: Nuts
Regie: Martin Ritt
Darsteller: Barbra Streisand, Richard Dreyfuss, Maureen Stapleton
Erscheinungsjahr: 1987
Land: USA
Stichwort: Psychose, Anstalt, Psychotherapie, Missbrauch, Trauma
Release: 20.11.1987

Handlung
Claudia Faith Draper, eine Prostituierte, ersticht in Notwehr einen aufdringlichen Freier. Da sie „aus gutem Hause“ ist, setzen sich die Eltern dafür ein, sie für unzurechnungsfähig zu erklären. Claudia wehrt sich höchst aggressiv dagegen, weil sie fürchtet, für immer weggesperrt zu werden. In einer psychiatrischen Anstalt wird sie als unfähig, ihrem Prozess zu folgen, begutachtet. Ihrem Pflichtverteidiger Aaron Levinsky und einem verständnisvollen Richter gelingen es, ihr zu ihrem Recht zu verhelfen.



Weitere Info
Bis auf wenige flash backs, in denen Claudias Tat und ihre Kindheit näher beleuchtet werden, folgt der Film dem Verlauf eines amerikanischen Prozesses, in dem sich Ankläger und Verteidiger vor einem Einzelrichter (nicht vor einer Jury) gegenüberstehen. Als Zeuge kommt einer der Gutachter zu Wort. Eine entscheidende Rolle spielen Claudias Mutter Rose und deren Mann aus zweiter Ehe, ihr Stiefvater Arthur Kirk. Beide treten als Zeugen auf. Es kommt aber auch zu direkten Konfrontationen zwischen Claudia und ihren Eltern. Diese dienen nicht so sehr als Verständigung zwischen den Parteien. Der Wortwechsel klärt viel mehr "das Gericht" über Claudias traumatische Erlebnisse mit dem Stiefvater und ihre fortbestehende Bindung an die Mutter auf.
Dieser Prozess-Film verhandelt vordergründig – spannend und unterhaltsam - den „Fall Draper“. Er endet sozusagen mit einem ersten Freispruch der als seelisch gestört „angeklagten“ jungen Frau. Der Prozessverlauf kann aber auch als Bericht einer psychotherapeutischen Behandlung gesehen werden, in deren Verlauf eine als Kind missbrauchte Frau ihr Trauma auszusprechen und damit sich selbst einzugestehen lernt. Erst dadurch gelingt es ihr, ein scheinbar spontanes aggressive und paranoisches Verhalten als Zwangsverhalten zu erkennen und zu korrigieren.
Claudia erscheint zu Anfang als „typisch“ geistig gestörte Insassin einer „typischen“ psychiatrischen Anstalt. Obwohl bis vor kurzem noch eine elegante und gepflegte Edelnutte, tritt sie jetzt mit aufgelöstem Haar und Anstaltskittel auf. Sie wirkt wie eine Person, deren Persönlichkeit durch Psychopharmaka verändert wurde. Dass dies aktuell auf sie angewendet werden, wird gezeigt. Das Anstaltspersonal erscheint „typisch“ für Psychiatrie-Filme, die aus der Perspektive einer "alternativen Psychiatrie" die Anstaltspsychiatrie anklagt.

"Nuts" bekommt mehr Konsistenz und Folgerichtigkeit, wenn der Film als Analyseprozess gesehen wird. Es ist doch unwahrscheinlich, dass eine ihrer geistigen Kräfte sehr wohl mächtige junge Frau, sich ausdrücklich so verhält, dass sie ihr abgesprochen werden. Dieses Verhalten könnte eher eine Angeklagte an den Tag legen, die um den Mordprozess herumkommen will. Claudias Bemühen um einen fairen Prozess ist zwar riskant - sie muss ja beweisen, dass sie in Notwehr gehandelt hat - aber die Strategie kann allein ihr ein normales Leben im Gefängnis oder draussen garantieren.
Sind es aber seelische Kräfte, die sie verstört und unkontrolliert erscheinen lassen, so ist durchaus denkbar, dass die Angeklagte unter Zwang "rebelliert" und damit den Bemühungen ihrer Eltern und ihres Ambiente in die Hand spielt, sie für unzurechnungsfähig zu erklären. Mit einem Appell an den Verstand (mind) sind diese Kräfte nicht zu bändigen, dafür aber u.U. durch ein Einwirken auf ihre Seele, d.h. ihr Gefühlsleben, das durch die Furcht vor ihrem Vater und der scheinbar mitschldigen Mutter ihr selbst unzugänglich ist.

Psychoanalyse kann als ein Verfahren verstanden werden, sich Entscheidungen und Verhalten zu erklären, deren Herkunft für uns weitgehend im Dunkeln liegt. Psychoanalyse ist im Ansatz Selbsterkenntnis. Sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf der unerkannten Ursachen zu ziehen, ist nicht einfach. Freunde, Gesprächspartner, Therapeuten können bei dieser seelischen Selbsterkundung sehr hilfreich sein. Der Film "Nuts" führt den Vorgang der Selbsterkenntnis in der Form der formalisierten Debatte eines amerikanischen Prozesses vor.
Als Patient tritt dabei Claudia Draper auf. Aaron Levinski ist eine der Figuren, die Claudia bei der Erkundung ihres Verhaltens unterstützt. An den Extremen der psychoanalytischen Unterstürzung stehen der Richter, der Claudias gelungene Selbsterkundung zertifiziert und Henry, der Polizist, der teilnahmslos Claudias Bemühungen überwacht. Die Aufgabe des Therapisten in einer formalisierten psychoanalytischen Behandlung ist es, einerseits dem Behandelten eine Übertragung seiner Lust am Erkunden zu ermöglich, andererseits darüber zu wachen, dass diese Lust sich nicht verselbständigt und damit den Erkenntnisprozess anstelle der Erkenntnis verewigt.
Alle anderen Teilnehmer des Prozesses - die Eltern Kirk, die Verteidiger, die Gutachter und Ärzte - schaden Claudia, weil sie ihre Selbsterkenntniss hintertreiben. Claudias Paranoia bezieht sich auf die Erfahrung, dass Menschen, die ihr helfen wollen, dies nicht aus Eigennutz sondern mit dem Ziel sie sich selbst zu bestätigen, tun. Insofern brutal vorgeführt wird, was die Ziele aller an Claudias Wohl interessierten Prozessteilnehmer, sind, zeigt sich die Notwendigkeit der Psychoanalyse des Umfelds eines Patienten. Levinsky entgeht nur deswegen der Gefahr, Claudia helfend auszunutzen, weil ihm im Prozess Henry beigeordnet ist. Und auch, weil er zu erkennen gibt, dass er Claudia (im Foto) begehrt.


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