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Title Finnischer Tango
Originaltitle: Finnischer Tango
Regie: Buket Alakus
Darsteller: Christoph Bach, Mira Bartuschek, Fabian Busch
Erscheinungsjahr: 2008
Land: Deutschland
Stichwort: Epilepsie, epileptischer Anfall, Anfälle, Multiple Sklerose, Downsyndrom, Rollstuhl, Querschnittslähmung, Parese
Release: 28.08.2008

Handlung
Alexander, ein erfolgloser Musiker, verdingt sich aus Not bei einer Theatertruppe, die nur Menschen mit Behinderung auftreten lässt. Alexander mimt einen Menschen, der epileptische Anfälle bekommt. Er findet nicht nur Beschäftigung sondern auch eine Lebensgemeinschaft von Menschen mit ganz unterschiedlichen Gesundheitsproblemen. Dort schlagen Alexanders meist gemeinen Gedankenlosigkeiten pünktlich zum Guten aus.


Weitere Info
Finnischer Tango
Märchenhafte Szenen aus der Welt der Behinderung

Der Film „Finnischer Tango“ beschert dem Zuschauer nützliche, unterhaltsame und nachdenklich stimmende Einblicke in das Leben behinderter Menschen - und eine Prise Melancholie, wie sie der Tango – und womöglich der finnische besonders gut – zu vermitteln vermag. Man sollte ihn sich ansehen!

Gestrandet, mittellos und egoman kommt der Rockmusiker Alex in einer Wohngemeinschaft Behinderter unter. Er gibt sich betrügerisch als „Epileptiker“ aus. Manchmal zuckt er deswegen seltsam. Die Gemeinschaft nimmt ihm das wohlwollend und ein wenig augenzwinkernd ab. Sie versorgt ihn mit einem Sturzhelm, lässt ihn mitessen und räumt ihm ein Zimmerchen ein. Für dies Entgegenkommen bedankt sich Alex, indem er Clarks neuen Rollstuhl an der Tür abfängt und ihn verscherbelt. Clark hat Multiple Sklerose. Die patente Betreuerin der Wohngemeinschaft verliebt sich in den Neuen, er aber nicht in sie. Er ist halt ein Ekel. Gegen Filmende verlässt Alex seine behinderten Freunde wieder - sichtlich geläutert. „Seine“ Behinderten sind ihm ans Herz gewachsen. Er verkauft sie nicht mehr als dumm und weiss nun auch über sich selbst Bescheid.
Vielleicht möchte man sich so einen Film doch lieber nicht ansehen. Zuviele Klischees- z.B. „Normal“ lernt von „Behinderung“!„Finnischer Tango“ ist immerhin ein unterhaltsamer Film und er traut sich etwas. Marilyn, ein Mädchen mit Down Syndrom, findet: Sex muss jetzt sein. Es gibt nicht viele Behindertenfilme, die Sex zwischen behinderten Menschen so ungeniert und frech behandeln. Angeleitet von Alex besorgt es der verliebte Steini der ebenfalls verliebten Marylin mit der Zunge. Er ist querschnittsgelähmt. Solche Szenen lohnen dann doch den Kinobesuch.
Nur das Wichtigste fehlt: Behinderte, die wirklich etwas mit dem Rest der Welt zu tun haben. Dieser „Finnische Tango“ ist im Niemandsland der Freaks angesiedelt, das eine gütige Betreuungsfee regiert und in das sich ein hübscher Taugenichts verirrt hat. Es gibt dort zwar Lust und Leid, Frust und Verzweifelung, aber das alles kann mit einer herrlichen Kissenschlacht in einer malerischen Villa am menschenleeren Nordseestrand erledigt werden. Schön und nicht gut.
Dieser „Behindertenfilm“ lässt schon wieder behinderte Menschen losgelöst von unser aller Sorgen und Freuden in liebenswürdig skurriler und märchenhafter Isolation agieren. Ein solches Szenarium deutete sich schon bei „Verrückt nach Paris“ (2002) an, für den Eike Besuden als Produzent ebenfalls verantwortlich zeichnet. Regie führt diesmal Buket Alakus. An der Linie, „Normalität“ durch „Behinderung“ zu läutern, hat sich wenig geändert.
Dass Behinderung in der Literatur, auf der Bühne, im Film oft Funktionen übernehmen muss, durch die Behinderte bestenfalls verzeichnet, meist aber diskriminiert werden, ist wohl bekannt: die lungenkrankeKurtisane, das pockennarbige Monster, die bemitleidenswerte Schöne, die zu früh an Leukämie stirbt, und die epilepsiekranke Studentin, die dem Aberglauben zum Opfer fällt. Um dagegen zu halten, reicht es aber nicht, behinderte Menschen in einer Scheinwelt einfach nur behindert sein zu lassen. Dort scheint sie nämlich niemand zu behindern als ihr trauriges Schicksal. Verlorenheit und Ausgegrenztsein sind aber keine naturgegebenen Folgen von Behinderung.
Ein Film sagt etwas über Behinderung heute, wenn er die Integration Behinderter beziehungsweise deren Abwesenheit sichtlich und dringlich in den Mittelpunkt stellt und wenn er hilft, über die allzu häufig dafür angebrachten guten Gründe kritisch nachzudenken. Das Getrenntleben von „Normalen“ und „Behinderten“ ist nicht normal! Die Autoren von „Finnischer Tango“ spielen vielleicht nicht zufällig auf die Welt des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäkie an, die von zu spät Gekommenen und von zu langsam Agierenden nur so wimmelt. Kaurismäki verwischt und mischt gern neu Hilflosigkeit und Hilfe, Krankheit und Erfolg, Untergang und Rettung. Jede Filmfigur hat daran teil. In seiner Welt geht es ohne Tragödie kaum ab, aber auch ohne klare Grenzen, Zuordnung und Platzanweisung. Da ist eigentlich nichts und niemand normal, wie im wirklichen Leben.
Der Rocker Alex hingegen spielt den finnischen Tango unter Behinderten nur so lange, bis er zur Besinnung kommt und ein bewussteres Leben führen kann. Gewandelt taucht er wieder in unser aller Alltag ab. Die Behinderten können ihm dahin nicht folgen.

aus:
Dr. med. Mabuse. Zeitschrift für alle Gesundheitsberufe, Nr. 176, Jhg. 33, Nov./Dez. 2008, 40-41


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