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Title Mieter, Der
Originaltitle: Locataire, Le
Regie: Roman Polanski
Darsteller: Roman Polanski, Isabelle Adjani, Melvyn Douglas
Erscheinungsjahr: 1976
Land: Frankreich
Stichwort: Anfälle, Psychose, Schizophrenie
Release: 26.05.1976

Handlung
Trelkovsky, ein schüchterner Büroangestellter aus Polen, zieht in Paris in eine Altbauwohnung, deren Mieterin sich zu Tode gestürzt hat. Bald fühlt er sich geheimnisvoll verfolgt. Zu der Studentin Stella fasst er Vertrauen, glaubt sie dann aber mit den Verfolgern im Bunde. Im Fieberanfall verwandelt er sich in eine Frau. Er irrt durch Paris, wird angefahren und gegen seinen Willen nach Hause gebracht. Wie seine Vormieterin stürzt er in den Tod.



Weitere Info
"Der Mieter von Roman Polanski zeigt eine meisterhafte Darstellung einer schizophrenen Psychose, während die Figuren in Marnie als Beispiel für weniger „spektakuläre“ psychische Störungen in Szene gesetzt werden, so zum Beispiel die kalte Psychose (oder nicht-schizophrene Psychose) und verschiedene neurotische Erscheinungsformen.
Die Figur des Trelkovsky (Roman Polanski) offenbart eine „bunte Mischung“ unterschiedlicher Psychosen zwischen schizoider und paranoider Persönlichkeitsstörung. Der Mieter von Roman Polanski verbildlicht einerseits eine schizoide (schizophrene) Persönlichkeitsstörung, andererseits eine paranoide Persönlichkeitsstörung.

Die schizoide Persönlichkeitsstörung
Bei der schizoiden Persönlichkeitsstörung handelt es sich um einen Versuch, die Außenwelt neu zu konstruieren. Die „Themen“, mit denen sie einhergeht, sind Vorstellungen von Depersonalisation und Veränderungen der Selbstwahrnehmung.
Darunter findet sich unter anderem die Dysmorphophobie, eine übertriebene Angst vor Entstellung des eigenen Körpers. Daher spielt in Der Mieter auch die Zwangsvorstellung Trelkovskys (Roman Polanski) von dem Zahn in der Wand eine so große Rolle, oder auch seine Faszination für die Geschichte von einem Mann, der nach einem Unfall einen Arm verloren hat und dem man die Beisetzung der verlorenen Gliedmaße verwehrt.

Die Persönlichkeitsstörung umfasst auch Vorstellungen von einer körperlichen Veränderung. Diese manifestieren sich in langen Betrachtungen des eigenen Spiegelbilds, auch als „Spiegelzeichen“ bezeichnet, die bei Schizophrenen mit einer Angst vor Depersonalisierung und Identitätsverlust einhergehen. Im Film betrachtet sich Trelkovsky desto öfter im Spiegel seines Spiegelschranks, je mehr er sich mit Simone Choule identifiziert.

Die Persönlichkeitsstörung wird darüber hinaus auch von einer Derealisation begleitet, einer veränderten Wahrnehmung der Außenwelt. Der Film greift dieses pathologische Motiv immer wieder auf und lässt den Zuschauer die Welt mit den Augen des Erkrankten sehen – eine Welt, in der die Nachbarn sich in natternzüngige Monstren verwandeln, um nur ein Beispiel zu nennen. Die im wahrsten Sinne des Wortes „theatralische“ Umsetzung dieses spezifisch schizoiden Symptoms auf der Leinwand lässt Polanski in einer unvergesslichen Schlussszene gipfeln, in der Trelkovsky die Fassade seines Wohnhauses und die Fenster als Theater mit Logenplätzen wahrnimmt, die von seinen Nachbarn, seinen Kollegen und seiner Freundin Stella eingenommen werden, um seinem Selbstmord beiwohnen zu können.
Wie gerade diese Szene als Höhepunkt einer ganzen Reihe ähnlicher Ereignisse verdeutlicht, ist die Vorstellung von Derealisierung eng mit Verfolgungsängsten verknüpft, die für diese Form der Persönlichkeitsstörung ebenfalls charakteristisch sind. So steigert sich der kleine polnische Angestellte, der, wie er aus Angst vor Zurückweisung und Verfolgung stets mit Nachdruck betont, in Frankreich eingebürgert wurde, immer stärker in die Vorstellung hinein, Opfer eines Komplotts zu sein, das seinen Selbstmord zum Ziel hat – ein Komplott, das ausschließlich von seinen diabolischen Nachbarn inszeniert wird.

Alles scheint sich gegen ihn verschworen zu haben. Dabei handelt es sich um ein weiteres Syndrom, das Beeinflussungssyndrom: Der Erkrankte ist davon überzeugt, dass die äußeren Umstände oder eine bestimmte Person ihm ihren Willen aufzwingen möchten, seine Handlungen oder seine Gedanken kontrollieren wollen. In Der Mieter sind dies die Wohnung von Simone Choule, die die Hauptfigur dazu zu drängen scheint, sich mit der jungen Frau zu identifizieren, sowie der Inhaber des Bistros, der Trelkovsky dazu nötigt, anstelle von Simone Choule heiße Schokolade zu trinken und ihn dazu „zwingt“ wie sie Marlboro-Zigaretten zu rauchen.
Trelkovskys Selbstmordversuch ist unausweichlich, denn im emotionalen Bereich führt die schizoide Persönlichkeitsstörung zu massiven Angstzuständen mit Auswirkungen auf das Verhalten, die sich in Aggressivität, fluktuierenden Stimmungsschwankungen und Selbstmordversuchen niederschlagen.

Die paranoide Persönlichkeitsstörung

Die paranoide Persönlichkeitsstörung unterscheidet sich von der schizoiden durch ihren Aufbau: sie ist durch chronische und systematische Zwangsvorstellungen gekennzeichnet, d.h. durch ein in sich logisches und schlüssiges Konstrukt (im Unterschied zur schizoiden Persönlichkeitsstörung) sowie durch eine mit Verfolgungswahn gepaarte zwanghaft feindselige Interpretation neutraler oder freundlicher Handlungen Dritter.
Diese zwanghaft feindselige Interpretation, auch Paranoia genannt, ist eine von mehreren Erscheinungsformen der paranoiden Persönlichkeitsstörung. Dominierendes Thema ist die Verfolgung. Dabei treten Mechanismen auf, die zu einer Interpretation von allem und jedem führen (Situationen, Gesichtsausdrücke und Gesten des Gegenübers, Äußerungen) aber auch Halluzinationserscheinungen.
Die Struktur der Persönlichkeitsstörung ist systematisch, die Zwangsvorstellungen sind in sich schlüssig, was dazu führt, dass auch das Umfeld von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Die Zwangsvorstellungen entwickeln sich ein vernetzter Form und häufen sich allmählich an, was zu einer Vielzahl von Interpretationen in zahlreichen Bereichen Anlass gibt, so im beruflichen, emotionalen und zwischenmenschlichen Kontext. So empfindet Trelkovsky anfänglich nur Misstrauen gegenüber seinen Nachbarn, um sich anschließend von seinen Kollegen am Arbeitsplatz verfolgt zu wähnen, die sich über eine Zeitungsmeldung amüsieren, in der von einem Mann die Rede ist, der seinen Nachbarn wegen nächtlicher Ruhestörung niedergeschlagen hat; später entwickelt er dieses Misstrauen auch gegenüber dem Besitzer des Bistros und schließlich sogar gegenüber seiner Freundin Stella.
Die Persönlichkeitsstörung wirkt sich auf das soziale Leben aus und hat manchmal die fast völlige Isolation des Betroffenen zur Folge. Trelkovsky beginnt, alleine durch die Stadt zu streifen und verkleidet als Simone Choule stundenlang auf einem Stuhl in seiner Wohnung zu sitzen; schließlich mietet er sich ein Hotelzimmer, um sich dort vor der Welt zu verstecken.
Trelkovsky (Roman Polanski) verkörpert zu diesem Zeitpunkt eine Mischung aus zwei unterschiedlichen Arten psychotischer Persönlichkeiten, der paranoiden und der schizoiden Persönlichkeit, deren Kennzeichen sich vermischen und einander ergänzen. Hier die wichtigsten Merkmale (wir haben nur die Punkte aufgeführt, die auch die Figur im Film betreffen):

Die paranoide Persönlichkeit

Der Erkrankte verdächtigt andere ohne ausreichenden Grund, ihn auszunutzen, zu schädigen oder zu täuschen.
Er wird von ungerechtfertigten Zweifeln an der Loyalität und Vertrauenswürdigkeit von Freunden oder Partnern geplagt.
Er vertraut sich nur zögernd anderen Menschen an aus ungerechtfertigter Angst, die Informationen könnten in böswilliger Weise gegen ihn verwendet werden.
Er liest in harmlose Bemerkungen oder Vorkommnisse eine versteckte, abwertende oder bedrohliche Bedeutung hinein.
Er nimmt Angriffe auf die eigene Person oder das eigene Ansehen wahr, die anderen nicht so vorkommen.


Die schizoide Persönlichkeit

Unfähigkeit Freude zu empfinden
Emotionale Kühle, Distanziertheit oder abgeflachter Affekt
Unfähigkeit warme und zärtliche Gefühle für andere oder Ärger auszudrücken
Verringertes Interesse an sexuellen Beziehungen
Vorliebe für Aktivitäten, die alleine durchgeführt werden
Übermäßige Beschäftigung mit Phantasievorstellungen und mit sich selbst"

Tatjana Marwinski (http://www.arte.tv/de/Drei-Filme-auf-der-Couch/1384912,CmC=1384952.html)


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