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Title Rom
Originaltitle: "Rome"
Darsteller: Kevin McKidd, Ray Stevenson, Polly Walker
Erscheinungsjahr: 2005
Land: UK
Stichwort: Epilepsie, epileptischer Anfall, Anfälle, Cäsar
Release: 28.08.2005

Handlung
Episoden um das römische Reich vom Untergang der Republik - Cäsar gegen Pompeius - bis zur Entstehung des Kaiserreichs unter Augustus.



Weitere Info

Der "Film-Cäsar" und seine epileptischen Anfälle

Der Einsatz epileptischer Anfälle in Filmen mit Cäsar und Cleopatra zeigt beispielhaft, dass es dabei weniger um historische “Realität” als um narrative „Funktion“ geht. Epilepsie gehört so sehr zur historischen Gestalt Cäsar, dass seine Krankheit selten verschwiegen wird. Cäsar kann ohne Frage als die bekannteste Persönlichkeit der Geschichte gelten, die Epilepsie hatte. In Abhandlungen über Epilepsie wird er gern erwähnt, weil er trotz seiner Anfälle zu den ganz Grossen der Geschichte gehört.
Nietzsche, der ihn verschiedentlich als beispielhafte Persönlichkeit erwähnt, bringt ihn mit „intellektuellen Krämpfen“ in Verbindung. Er scheint seiner Krankheit sogar das Verdienst zuzuschreiben, ihn überhaupt erst gross gemacht zu haben. Owsei Temkin, der „Geschichtsschreiber“ der Epilepsie (The falling sickness. A history of epilepsy from the Greeks to the beginning of modern Neurology. The Johns Hopkins Press, Baltimore and London, 1945), zählt Alexander, Cäsar, Mohammed zu den “men most thirsty for action of all time” (380) Letztere Einschätzung geht direkt auf Plutarch zurück, der feststellt, Cäsar habe seine “Kränklichkeit im Felde zu überwinden” gesucht. Er habe sein „Übel“ durch „harte Anforderungen an seinen Körper“ bekämpft. (Plutarch, Grosse Griechen und Römer. Artemis-Verlag, Zürich, 1960, Bd. V, S. 119).
Es ist also selbstverständlich, Cäsar mit Epilepsie und Anfällen in Verbindung zu bringen. Es wäre ebenso selbstverständlich ihn als Zeugen dafür anzurufen, dass Epilepsie nicht notwendig Versagen und Kontrollverlust im Leben bedeutet. Spielfilme über und mit Cäsar nutzen aber seine Anfälle für ganz unterschiedliche und ganz „eigene“ Zwecke, nicht um Cäsar zu charakterisieren sondern um der jeweiligen Erzählung die gewünschte Richtung zu geben. Die historische Realität ist dabei eine manchmal lästige, in jedem Fall leicht zu übergehende Nebensache.

Epileptische Anfälle in „Cäsar“-Filmen zeigen darum exemplarisch, wozu epileptische Anfälle im Spielfilm überhaupt gut sind. Sie haben eine emminent narrative Funktion. In der Regel setzen sie dramatische Akzente bzw. fügen sich in hoch-dramatische Erzählabläufe motivierend ein. Darum spielen sie sich auch dramatisch meist als Grand mal-Anfall ab. Der Informationswert solcher Episoden ist fast immer "negativ". Sie tragen meist ungewollt durch Halbwahrheiten und Verfälschungen zur Diskriminierung Epilepsiekranker bei.

Die Mehrzahl der “Cäsar”-Filme, zu denen viele “Cleopatra”-Verfilmungen zu zählen sind, dürften ohne Erwähnung von Epilepsie und epileptischer Anfälle auskommen. Diese Behauptung ist schwer zu beweisen, gibt es doch weit über hundert „Cäsar-und-Cleopatra“-Filme. Erwähnt seien darum nur einige bekannte Verfilmungen, in denen Cäsars Epilepsie nicht erwähnt wird:
- “Cleopatra” (Cecil B. DeMille, 1934);
- Caesar and Cleopatra (Gabriel Pascal, 1946);
- Julius Cesar (Tanio Boccia, 1962)

Filmautoren sind keine Geschichtsschreiben. Es gibt also auch im Falle Cäsars keinen Grund dafür, seine Krankheit zu erwähnen. Wichtiger ist sicher, dass die Film-Cäsaren Toga tragen, meist eine Halbglatze haben und grosszügig sind. Daran erkennt sie dann jeder Filmbesucher, wie ja auch eine andere Filmgestalt sich dadurch auszeichnet, dass sie die linke Hand in den Jackenaufschlag steckt und meist Uniform trägt.

Nimmt man Filme, in denen Cäsar einen epileptischen Anfall bekommt, so sind jene selten, in denen ihm das nicht zum Nachteil ausschlägt. Positive Aspekte begleiten seine Anfälle in:
- “Julius Cesar” (Cecil B. DeMille, 1953)
- “Julius Cäsar” (Uli Edel, 2002)

De Mille's Film verdankt sich gänzlich dem gleichnamigen Shakespeare-Drama. Ein Anfall ist hier nicht zu sehen. Er wird aber sehr bedeutungsvoll beschrieben. Marc Anton trägt im Kolosseum Cäsar die Königswürde an, die dieser zurückweist. Danach hat er für die Kolosseum-Besucher deutlich sichtbaren Anfall. Cassius berichtet davon seinen Mitverschworenen. Er kommentiert den Vorgang mit der ätzenden Bemerkung, dass nicht Cäsar an der Fallsucht leide, sondern alle, die sich gegen ihn verschworen haben, aber es an Standhaftigkeit fehlen lassen.

In “Julius Cäsar” (Uli Edel, 2002) wird Cäsar dreimal mit einem Anfall gezeigt. Jedesmal schlägt ihm die Krankheit zum Guten aus. Ihr Auftreten mindert nicht seine Chancen auf eine grosse Karriere. Die Anfälle helfen ihm vielmehr aus einer gefährlichen Situation. Sie schützen ihn vor den Häschern Sullas, die ihn ermorden wollen. Sie hindern die Piraten, die ihn ohne Lösegeld beseitigen wollen daran, dies zu tun. Sie weisen ihm den Weg, den er gegen Pompeius einzuschlagen hat, und bringen ihn mit seiner späteren Frau Cornelia in Verbindung, die entscheidend sein wird für sein weiteres Fortkommen.

Edel benutzt hier phantasievoll und positiv Cäsar's Krankheit. Er markiert mit ihrem Auftreten Wendepunkte im Leben seines Helden. Unwichtig ist dabei, dass die historische Überlieferung den alternden Cäsar mit Epilepsie in Verbindung bringt, nicht den Mann am Beginn seiner Karriere.

In zwei bedeutenden Verfilmung von Cäsars Leben geschieht nun etwas Merkwürdiges. Wie immer man Cäsars Epilepsie betrachtet und behandelt, sie kann eigentlich immer nur als ein weithin bekanntes Faktum beschrieben werden. Die überkommenen Bilder der Krämpfe, des Mundkeils, des Hinfallens, des Kontrollverlustes gehören womöglich zu Cäsar, nicht aber die Sorge um die Aussenwirkung. Eine extreme Gefahren für Cäsar's Image und Karriere aber wird in Filmen benötigt, in denen die „Schwäche“ Cäsars eine Beschützerrolle legitimiert bzw. von seinen Gegnern ausgenutzt werden kann.
Ersteres ist in Cleopatra (Joseph L. Mankiewicz, 1963) der Fall. Hier beobachtet Cleopatra einen ersten Anfall Cäsars von einem verborgenen Zimmer aus. Als sich dann in ihrer Gegenwart der zweite Anfall ereignet, greift sie selbst schützend und helfend ein. Cäsar erkennt daran, dass sie ihn schon einmal „schwach“ und von seinem stummen Diener Flavius beschützt gesehen haben muss. Ein Verbergen seiner Befürchtungen hat also gegenüber Cleopatra keinen Sinn
Und so offenbart er sich ihr. Cäsar: "Dabei kann mir niemand helfen. Dabei gibt's keine Hilfe. Eines Tages wird es vor aller Augen geschehen und die Welt wird zusehen, wie ich falle, taumele und stürze mit Schaum vor dem Mund. Und der Pöbel wird in Gelächter ausbrechen. Sie werden mich in Stücke reißen." Cleopatra: „Es sind die Lieblinge der Götter, die von dieser Krankheit heimgesucht werden: Hannibal und der große Alexander." Cäsar: "Am Ende sind sie doch gefallen oder wurden zerrissen." Cleopatra: "Du nicht, dafür werde ich sorgen.“ Cäsars Anfälle geben ihn also in diesem Film den historischen Tatsachen entgegen in Cleopatras Hand.

Noch deutlicher fällt diese – in Wirklichkeit nicht vorhandene – Erpressbarkeit in der TV-Serie “Rome” (2005) aus. Ein sehr dramatisch verlaufender Anfall (Krampf, Sturzl, Mundkeil, Kontrollverlust) ereignet sich im Haus von Cäsar's Verwandten Atia. Er wird von deren Sohn Oktavian miterlebt. (1.04, Stealing from Saturn) Nachdem er gerade wieder zu Bewusstsein gekommen ist, fordert Cäsar den jungen Mann auf, beim „Orkus“ zu schwören, dass er diesen Vorfall niemandem offenbaren wird.
Posca, Cäsars rechte Hand, der auch zugegen ist, gibt die Erklärung dazu: “Morbus comitialis ….. No man will follow a man whom Apollo has cursed with this morbus.” Das ist zwar angesichts gerade der Cäsar-Biographie blanker Unsinn, aber der TV-Serie dient die Episode, um den im Folgenden erzählten dramatischen Beziehungen zwischen Cäsar und seiner Geliebten Servilia Nahrung zu geben. Von der scheinbar nebensächlichen Anfallsepisode lebt insbesondere Episode 1.09, “Utica”. Die rachsüchtige Servilia sucht der geheimen Schwäche Cäsars auf die Spur zu kommen und erpresst darum mit höchst spektakulären Mitteln Oktavian.

Die Autoren von „Rome“ geben sich mit einfacher „Geschichtsfälschung“, die ihren berechtigten Erzählzielen dient, nicht zufrieden. Im Kommentar der DVD-„Extras“, in denen viel Wert auf die angebliche Authentizität der Serie gelegt wird, findet sich die Feststellung, die führenden römischen Politiker legten Wert darauf, dass die Götter sie und ihr Handeln legitimierten. Eine „unheilbare Krankheit“ hingegen wäre der Beweis dafür gewesen, dass der Betroffene von Apollo verlassen und damit untragbar für öffentliche Ämter sei.
Dabei hätte man an dieser Stelle der Authentizität zulieben einiges grade rücken können. Man hätte z.B. den neugierigen Serien-Fan darüber aufklären können, dass moderne Vorurteile gegen Menschen mit Epilepsie im Falle Cäsar ganz offensichtlich nicht greifen. Man hätte hinzufügen können, dass der Grieche Hippokrates ein erstaunlich sachliches und undämonisches Bild der Krankheit schon in der Antike zu zeichnen verstand. Nur hätte man damit zugeben müssen, dass die ganze Authentizität in Wahrheit eine Reklame-Zutat von Fernsehserien ist. Diese bezieht sich allenfalls auf die Ausstattung von historischen Orten und Personen (Cäsar besitzt keine Taschenuhr.) und nicht einmal darauf, wenn es Finanzen und Erzählung so wollen.

Diese höchst pragmatische Einstellung von Serien-Produzenten kommt im Fan-Forum der Produktionsfirma HBO treffend zum Ausdruck. Dort fragt ein wissbegieriger Fan: “Wasn't Caesar's epilepsy generally known among his peers? I just don't remember it as being treated as a dirty secret.”
Und für seine treffende Frage bekommt er zur Antwort: “Well, it was most likely commonly known, but all the same it would be in Caesar's interests to have the actual number of incidents at a low level, just enough to suggest he was touched by the gods (epileptic seizure) and not actually have an affliction, which would compromise his leadership.”
Das klingt sehr gewunden. Die ganze Geheimniskrämerei um epileptische Anfälle in der Antike verdankt sich eben nur den Notwendigkeiten der Filmerzählung. So klar darf man das allerdings nicht zugeben! Serien-Autoren finden sich – ganz unnötig – plötzlich vor dem Dilemma, zugeben zu müssen, dass Fakten der Erzählung nur zum Erzählen dienen, nicht zum informieren. Die Brüder Grimm hätten mit solchen narrativen Notwendigkeiten keine Schwierigkeit gehabt. Warum muss der Spielfilm, die gelungenste Form des modernen Geschichtenerzählens, so tun als wäre er auch noch ein treffliches Instrument zur allgemeinen Aufklärung des Publikums?

Wer immer – ob Historiker oder Mediziner, Betroffener oder Patient – sich vom Spielfilm Aufklärung erwartet, sei also gewarnt. Als Nebenprodukt ist dies durchaus möglich. Wahrscheinlich ist es nicht! Selbst da, wo „korrekt“ aufgeklärt wird, ist in der Regel der Rahmen von Filmerzählungen so anders als alle Realität, dass richtige Einzeltatsachen umgehend wieder zur Verfälschung des Gesamtbildes beitragen. Wer über Cäsars Erkrankung etwas wissen will, schlage besser bei Plutarch nach und vergesse Verfilmungen. Wen Autismus interessiert, den mag Dustin Hoffmann in „Rain man“ faszinieren. Von der Wirklichkeit der Krankheit wird er trotzdem nur ein höchst einseitiges und darum letztendlich völlig falsches Bild bekommen. Wer Wahrheit im Film sucht und sie nicht findet, sollte dafür nicht Film-Autoren verantwortlich machen sondern nur die eigene Verwechslung von Erzählung und Analyse.



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