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Title Wo ist Fred?
Originaltitle: Wo ist Fred?
Regie: Anno Saul
Darsteller: Til Schweiger, Alexandra Maria Lara, Jürgen Vogel, Anja Kling, Christoph Maria Herbst, Tanja Wenzel, Ramon Julia König, Pasquale Aleardi
Erscheinungsjahr: 2006
Land: Deutschland
Stichwort: Epilepsie, epileptischer Anfall, Anfälle, gehbehindert, Rollstuhl, Heim
Release: 00.00.0000

Handlung
Fred Krüppers, Polier auf dem Bau, will die Tochter seines Arbeitgebers Mara Grundmann heiraten. Deren verzogener Sohn aus erster Ehe Linus, Fan des Berliner Basketballvereins Alba, lehnt ihn ab. Um ihn umzustimmen, besorgt Fred einen vom Basketballstar Mercurio Müller signierten Ball, den er als falscher Geh- und Sprachbehinderter auf der Behindertentribüne des Vereins Ronnie Kimmel abnimmt. Dieser ist „wirklich“ gehbehindert. Nun muss Fred gemeinsam mit Ronnie als Behinderter im Imagefilm des Vereins mitwirken, was seinem Leben eine vollständige Wende gibt.


Weitere Info
Doppelt gespielte Anfälle

„Wo ist Fred“ setzt zweimal „doppelt“ gespielte Anfälle ein, mit denen jemand betrügerisch und erpresserisch an ein ihm wichtig erscheinendes Ziel zu gelangen sucht. Doppelt gespielt sind die Anfälle, weil sie jedes Mal von gesunden Schauspielern vorgeführt werden und von den entsprechenden Filmfiguren gespielt werden. Beide Anfälle – der „epileptische“ Anfall von Fred und der asthmatisch- epileptische Anfall von Ronnie - bestehen in unkontrollierten Zuckungen und Verkrampfungen. Sie treten unerwartet auf und suggerieren das Eingreifen in einen Notfall. In der Tat provozieren sie beide Notfallmassnahmen einer Person, die von der Echtheit der Vorgänge überzeugt ist.
Fred versucht als „gehbehindert“ im Rollstuhl auf die Behindertentribüne zu gelangen. Da er abgewiesen wird steigert er sich in Zucken und Krampfen, die ein hinzukommender medizinischer Helfer – ein Stadiumsarzt womöglich – als „epileptisch“ missversteht. Anders ist seine erste Massnahme – dem Krampfenden einen Holzstock zwischen die Zähne zu schieben – kaum zu deuten. Die nachfolgend unbesehen verabreichte Spritze ist medizinisch nicht begründbar. Sie ist sichtlich nur noch Klamaukmedizin.
Der Vorgang bezieht seine erzählerische Logik aus vergleichbaren simulierten epileptischen Anfällen anderer Filme, denen die Elemente unerwartet, Zuckungen, Notfallsituation und betrügerische Absichten gemeinsam sind.
Ronnie’s Anfall erfolgt aus seiner Situation als „echter“ gehbehinderter Rollstuhlfahrer. Ronnie suggeriert mit Zuckungen, Verkrampfungen, Hinfallen und Hilferufen (Ich kriege keine Luft) das Eingreifen Freds, der dazu aus seinem Rollstuhl aufsteht und sich damit selbst entlarvt. Die im gleichen Raum anwesenden Behinderten greifen nicht ein, weil sie Ronnies Trick offensichtlich schon kennen. Die Darbietung von Christoph Maria Herbst als „Ronnie“ orientiert sich deutlich stärker an „epileptischen Filmanfällen“ als an „Asthmaanfällen“, wie man sie aus dem Kino kennt. Wie immer, auch sein Ablauf enthält die oben genannten Elemente simulierter Filmanfälle.
Die erklärten Absichten der Filmautoren und der Schauspieler nicht Behinderte sondern „Normale“ dem Gelächter der Zuschauer preiszugeben, sind hier nur scheinbar verwirklicht. In Wahrheit wird hier auch nicht über unsachgemässe Notfallmassnahmen gelacht sondern über einen betrogenen Betrüger, d.h. über Fred, der beides Mal den Kürzeren zieht als Behandelter und als Handelnder. Nicht von der Hand zu weisen ist zudem der Verdacht, dass Anfälle als „komisches“ Verhalten grundsätzlich erzählerisch eingesetzt wird mit dem Vorteil bei diesen Anfällen, dass das Lachen den Zusehenden nicht im Halse stecken bleibt.
Peinliche Gedankenlosigkeit
Nicht die Behinderten, die Normalen sind witzig
Der kleine, übergewichtige, verzogene Linus Grundmann zwingt dem gedankenlosen, verliebten Fred Krüppers sich den vielen Leiden und wenigen Freuden des Behindertenlebens auszusetzen. Dessen Eintrittskarte in die Welt von Behinderung und Krankheit ist ein Rollstuhl, den sein ebenso gedankenloser Freund Alex Nordberg schiebt, und ein gespielter Anfall, den ein herbeieilender Notarzt für einen epileptischen hält. Er zwingt Fred einen schon bereitliegenden Holzstab in den Mund und verabreicht ihm unbesehen und medizinisch unqualifiziert eine "Beruhigungsspritze". Benommen, doch überraschend reaktionsstark kommt Fred in den Besitz des ersehnten Fan-Balls. Danach sind ihm sowohl der verbitterte und erpresserische Ronnie Kimmel als auch die naive und bald in ihn verliebte Werbefilmerin Denise Popnik auf den Fersen, die einen Imagefilm für den ach so behindertenfreundlichen Berliner Basketballverein "Alba" dreht.
Fred muss ein tiefes Tal der Leiden durchschreiten, um sich von der zickigen Mara ab und zur süssen Denise hin zu wenden. Er verliert seinen Arbeitsplatz, weil es auf seiner Baustelle drunter und drüber geht. Er kommt in ein Pflegeheim, weil sein tollpatschiger Freund kein ausgebildeter Pfleger ist. Er wird unentwegt entmündigt, obwohl er doch eigentlich normal ist. Er muss sich schliesslich als falschen Behinderten outen, weswegen ihn empörte Sportfans krankenhausreif schlagen. Er enttäuscht im wirklichen Leben Denise und gewinnt sie im Krankenhaus aus der Ohnmacht erwachend wieder.
Es erscheint unwahrscheinlich, dass soviel kindischer Drehbuchquatsch unterhält. Aber auch Klamauk kann Erfolg haben. Alle Schauspieler sind zu ihrem und des Zuschauers Unglück auf der Höhe ihrer Rolle. Sie spielen sie mit so grandioser Tollpatschigkeit, dass die ihnen geltenden Lachtränen nicht ausbleiben können. Drehbuch und Regie lassen in der Tat keinen schlechten Witz mit Behinderung aus. Die kränkendsten Demütigungen erfährt allerdings der „falsche Behinderte“, weswegen ein Lachen auf seine Kosten dem Zuschauer als gerechte Rache erscheinen mag.
Offene Diskriminierung delegieren die Filmautoren an den „Kotzbrocken“ an ein Kind, an Linus Grundmann. Er verunglimpft Menschen mit Behinderung als „Spastis“ und „Behindis“ und nimmt an, sie könnten mit einem Ball nicht mehr ausrichten, als „darauf zu sabbern“. Dass Kindern solche Haltungen von Natur eigen sind, weil ihr Kindersein zur Grausamkeit verleitet, gehört wie viele andere Ansichten der Filmautoren über Behinderte zu den peinlichen Allgemeinplätzen, über die man nicht lachen kann.
Regisseur Anno Saul formuliert die politisch korrekte Botschaft des Films in einem Interview, das sich unter den „Extras“ der DVD findet: „Wir lachen über die Peinlichkeit, die entsteht bei ganz vielen Nichtbehinderten im Umgang mit Behinderten……… Man lacht definitiv nicht über Behinderte, sondern man lacht über die Peinlichkeit, die entsteht, dass sie nicht ganz normaler Bestandteil unserer Kommunikation sind.“ Die gewundene Formulierung erhält durch den Darsteller des Ronnie Kimmel im Interview burschikose Verstärkung. Die Botschaft des Films sei: „dass die äussere Hülle wurscht ist“. Christoph Maria Herbst findet dann auch den Rollstuhl, in den seine Figur gezwungen ist, so cool, dass er ihn eigentlich gar nicht mehr verlassen möchte. Beiden Wortführer dieses filmischen Fehltritts dürfte nicht präsent sein, dass die bestimmenden Akteure des Films „normal“ sind und damit zumindest prädestiniert sein könnten für Peinlichkeiten „im Umgang mit Behinderung“.
stefan heiner

Komische Dramatik
Til Schweigers Filme mit behinderten Menschen
Seit "Knockin' on heaven's door", liefert Til Schweiger immer mal wieder einen Film ab, in dem es um Behinderte und Versager geht. Seine Geschichten um anfangs leid- und glücklose Figuren, die Leid in Glück zu wandeln verstehen, ziehen ein breites Publikum an. Sie haben an den Kinokassen Erfolg. Bei der Filmkritik kommen sie allerdings weniger gut weg. Zu nennen sind besonders:
Knockin' on heaven's door (1997, Schauspieler)
barfuß (2006, Regie, Schauspieler)
Wo ist Fred? (2006, Schauspieler)
Keinohrrhasen (2007, Regie, Schauspieler)
Phantomschmerz (2009, Schauspieler)
Was haben diese Filme gemeinsam, dass sie so unterhaltsam und erfolgreich Behinderung abzuhandeln verstehen? In allen stellt sich eine "komische Dramatik" ein, die das Zuschauerinteresse mit spannenden aber zugleich unterhaltenden und komischen Geschichten bedient, die von Anfang an auf ein Ende der Heilung und der Harmonie zusteuert. Schweiger als Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent arbeitet dabei mit anderswo bewährten Mitteln, die er geballt einsetzt, als fürchte er, dass ohne ständige Bombardierung der Zuschauer seine Konstruktionen als solche erkennt und nicht wie gewünscht als authentische Geschichten.
Schweiger arbeitet in und mit seinen Filmen wie seine Film-Figur "Ludo" in "Keinohrhasen". Dieser ersinnt haarsträubende, konstruierte Geschichten, in denen ein bizarres Problem durch unwahrscheinliche Ereignisse dem guten Ende zugeführt wird. Er erzählt sie so als handele es sich um authentische Vorfälle des Alltags. Sein Publikum besteht aus scheinbar gutgläubigen und naiven Zuhörern, denen er damit die Zeit vertreibt und die keinen Wert auf reale Entsprechungen seiner Geschichten legen..
(Fortsetzung folgt)
stefan heiner



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