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Title Der Zürich-Krimi: Borchert oder die letzte Hoffnung
Originaltitle: Der Zürich-Krimi: Borchert oder die letzte Hoffnung
Regie: Roland Suso Richter
Darsteller: Christian Kohlund, Ina Paule Klink, Felix Kramer, Robert Hunger-Bühler, Jenny Schily, Beat Marti
Erscheinungsjahr: 2018
Land: Deutschland
Stichwort: Epilepsie, epileptischer Anfall, Anfälle, Herzversagen, Multiple Sklerose, Selbstmord, Euthanasie
Release: 00.00.0000

Handlung
Zwei Patienten versterben unverhofft und unter Krämpfen. Sie sind an Multipler Sklerose erkrankt und haben an einer illegalen Medikamentenstudie der Firma Medikus teilgenommen. Sophie stirbt noch im Krankenwagen. Anton Schneider erleidet so grosse Schmerzen, dass er sich von seiner Frau durch Gift erlösen lässt. Beide haben an einer illegalen Medikamentenstudie teilgenommen. Als Schneiders Frau Louise in Mordverdacht gerät, findet Anwalt Borchert scheinbar chancenlos doch die wahren Schuldigen. Bei einer seiner Aktionen bewahrt der epileptische Anfall einer Patientin ihn rein zufällig davor, entdeckt zu werden.



Weitere Info
ARD, 8.2.2018

http://www.ardmediathek.de/tv/Filme-im-Ersten/Der-Z%C3%BCrich-Krimi-Borchert-und-die-letzt/Das-Erste/Video?bcastId=1933898&documentId=49869804
Deutschland, 2018

Stichworte für Epilepsiespielfilm: Nur erwähnt, TV-Serie, Expertenzuordnung


Mein Kommentar: Der Drehbuchtrick, die plötzliche Abberufung eines möglichen Zeugens in einer Klinik zu begründen, ist u.a. im Film „Coma“ zu beobachten (siehe hier). Die Rolle, die Epilepsie in diesem TV-Krimi spielt, ist damit fast erschöpft. Nachzutragen ist, dass die Patientin Sophie im Krankenwagen und Anton Schneider auf seinem Sterbelager„immer wieder von Krampfanfällen“ (Zitat siehe unten) geschüttelt werden. Warum ist nicht einsichtig, da Schneider „nur“unerträglichen Schmerzen durchmacht und an Multipler Sklerose leidet. Sophie stirbt „krampfend“ an Herzversagen. Sophie tritt sogar Blut aus Nase und(?) Mund. Der Zuschauer kann sich unter dem Leiden der „Krampfenden“ allerdings mehr vorstellen als unter ihren Grunderkrankungen!
Rechnet man die panikartige Reaktion des üblen Dr. Hoffers hinzu, der so eilig dem Ruf „ein fokaler Anfall auf Zimmer 323“ folgt, dass er den in seinem Arbeitszimmer herumschnüffelnden Borchert übersieht, steht der „epileptische Krampfanfall“ auch in diesem Krimi mal wieder unter dem Vorzeichen, der grösste GAU zu sein.
Die medizinischen Fragwürdigkeiten betreffen nicht nur Epilepsie. Geradezu lächerlich ist, dass die Pharmafirma, die mit ihrem MS-Medikament der Nebenwirkungen wegen Schiffbruch erlitten hat, einen Teil der Entwicklungskosten wieder reinholt, indem sie das Medikament unter der Hand verkauft. Anton Schneider zahlt dafür die unglaubliche Summe von 300.000 €, aber das dürften ja wohl Peanuts sein im Vergleich zu den entstandenen Kosten und den entgangenen Gewinnen. Sei’s drum. Ein TV-Krimi schludert ja notgedrungen auf vielen Gebieten (siehe unten) und muss sich halt der Beckmesser erwehren, so gut es geht.
Sehr unterhaltsam ist der Drehbuchtrick Borchert erkältet, schniefend und hustend auf Spurensuche gehen zu lassen. Einem Übeltäter hängt er händeschüttelnd die Grippe an. Ein andermal gelangt er zum Händewaschen ins Badezimmer, wo er das inkriminierte Medikament findet. Etc. Eine ähnliche, doch prominentere Rolle spielte die Erkältung schon in Spielbergs „Bridge of Spys: Der Unterhändler“ (siehe hier)

Die story ausführlich: „Die Nacht war schwer für Anton Schneider (Beat Marti). In den Wochen zuvor hat sich sein Zustand rapide verschlechtert. An diesem bleigrauen Morgen will er nicht mehr. Er verlangt von seiner Frau Louise (Jenny Schily), was beide vor fünfzehn Jahren, als sie einer Schweizer Sterbehilfeorganisation beigetreten sind, vereinbart haben. Ein letztes Mal erinnern sich beide an ihre Liebe und ihr gemeinsames Leben, dabei wird Schneider immer wieder von Krampfanfällen unterbrochen. Seine Frau bereitet unter Tränen das tödliche Getränk zu. Damit sie straflos bleiben kann, muss er es ohne Hilfe zu sich nehmen. Sein Zittern schüttelt den Körper. Ganz zart singt jemand im Hintergrund das Lied „Mad World“. Die Gesichter des Paars spiegeln das Leid in Großaufnahmen.
So grenzüberschreitend intim gespielt ist diese Szene, dass man wegschauen, kein Voyeur sein möchte. Die Kamera wendet sich ab. Wer aber wird später, als Louise Schneider verhaftet wird, sagen können, wie es genau war? Es gibt keinen Zeugen für den Tod von Anton Schneider, nicht einmal den Zuschauer. Die entscheidende Szene, beleuchtet durch nun grelles Morgenlicht, wird erst sehr viel später Aufklärung bringen.
Gerupfter Vogel aus der Asche, aber mit Stil
Thomas Borchert (Christian Kohlund), Züricher „Anwalt ohne Lizenz“, in Frankfurt zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilte ehemalige Wirtschaftsgröße, zieht schwer erkältet um. In der Kanzlei der Nachwuchsanwältin Dominique Kuster (Ina Paule Klink) stellt er seine Biedermeier-Récamiere vorerst neben den Schreibtisch. Wenn er schon gerupfter Vogel aus der Asche spielen muss, dann mit Stil und blauverspiegelter Sonnenbrille.
Wenig später haben Kuster und Borchert ihren ersten richtigen Fall. Viola Schneider (Lucie Heinze) will den Arzt ihres Vater wegen Behandlungsfehlern verklagen. Markus Hoffer (Nicki von Tempelhoff) hat den an multipler Sklerose leidenden Patienten konservativ behandelt und angeblich seit Wochen nicht gesehen, aber dessen penibel geführtes Krankheitstagebuch verzeichnet in beider Hinsicht anderes. Klinikleiter Professor Maibach (Gerhard Gabers) reagiert nervös. Selbst der Hauch eines Skandals werde Hoffers Chefpostenanwartschaft schaden, warnt er. Verpflichtet wird ein erfahrener Top-Anwalt mit besten Kontakten in die Welt des Züricher Geldadels. Reto Zanger (Robert Hunger-Bühler) ist außerdem Dominique Kusters Vater. Womit die Interessenkonflikts- beziehungsweise Problemgemengelage vollständig ist und die neue Kriminalgeschichte nach zwei Auftaktfällen 2016 ihren nicht gänzlich vorhersehbaren Lauf nehmen kann.
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Tochter-Vater-Konflikt im Anwaltsmilieu, gedoppelt zudem in der ungleichen Berufspaarung des alten Fuchses Borchert, dem nach Jahren im Bankenturm-Milieu nach Läuterung zumute ist, und der jungen Juristin, die sich trotz chronischer Anfänger-Unterschätzung durch Prinzipienfestigkeit behauptet; dazu die naheliegende Konfrontation idealistischer und zynisch instrumentalisierender Rechtsauffassung, ergänzt durch einige noch ausbaufähige Nebenfiguren wie den attraktiven Polizisten Hauptmann Marco Furrer (Felix Kramer), die patente Kanzleisekretärin und Rechercheallzweckwaffe Regula Gabrielli (Susi Banzhaf) oder die lebenserfahrene Ärztin Marlene Vogt (Angela Roy), der Borchert nahestand, bevor er vor Jahren verschwand: man kennt solcherlei Beziehungsgeflecht aus zahlreichen Anwaltsserien.
Einen Originalitätsbonus verdient der erste der beiden neuen Fälle des „Zürich-Krimis“, „Borchert und die letzte Hoffnung“, durch die Geschichte, die sich vom Sterbehilfe- und Arztfehlerdrama zur Ermittlung im Geschäftsbereich der Pharmaindustrie und Medikamentenzulassung weitet. Die Inszenierung von Roland Suso Richter lenkt in der Hauptverhandlungssache des assistierten Suizids sensibel und emotional klug die Dramaturgie, die Bildgestaltung von Max Knauer findet oft den ungewöhnlichen Blickwinkel. Dass neue Erkenntnisse von allen Beteiligten, Anwälten wie streitenden Parteien, mitten in der Pathologie am Fuß der in Frage stehenden Leiche diskutiert werden, dass Borchert mit Billigung des Bestatters nach Geschäftsschluss Tote begutachtet oder dass über Untersuchungshaft in einer Art Charles-Dickens-Gerichtskarikaturverhandlung entschieden wird, verstimmt etwas. Alles in allem aber ist der erste neue Fall aus Zürich berührend. Der nächste, „Borchert und die Macht der Gewohnheit“, hält dagegen nicht, was dieser verspricht.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/zuerich-krimi-borchert-und-die-letzte-hoffnung-im-ersten-15437210.html



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