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nach dem gleichnamigen Roman von Jodi Picault
Spielfilme, die ein medizinisch gestütztes nicht-traditionelles Wissen zur Konstruktion ihrer Erzählung nutzen sind selten. Als herausragendes Beispiel kann „A matter of life and death“ genannt werden, der die phantastische Geschichte eines Menschen erzählt, der nach einem Unfall epileptische Anfälle bekommt und durch eine Hirnoperation davon befreit wird. Dem Film ist eine ausdrückliche medizinische Würdigung gewidmet, der einzelne Filmepisoden medizinisch korrekt auf epileptische Vorgänge zurückführt. Der Film zeigt wenig bekannte Anfallsformen und keinen der sonst immer eingesetzten Grand mal-Anfälle.
Filme die Detailkenntnisse zur Epilepsie voraussetzen, sind nicht unbedingt solche, die ein „alternatives“ Bild der Erkrankung im Sinn haben. Ein gutes Beispiel dafür findet sich in „Beim Leben meiner Schwester“ (2009).
Epilepsiekrank ist in diesem Film, der das Schicksal eines leukämiekranken jungen Mädchens zum Gegenstand hat, der Anwalt Campell Alexander. Dieser ist ein publizitätssüchtiger, Fernsehzuschauern nur allzu bekannter Staranwalt. Er übernimmt die Klage der 14jährigen Anna Fitzgerald gegen ihre Eltern auf „medizinische Selbstbestimmung“. Anna will nicht mehr Blut- Rückmarks- und Organspenderin für ihre todkranke ältere Schwester Kate sein. Alexander übernimmt den Fall – so scheint es – weil er sich davon eine Sensation verspricht. Dass alles ganz anders ist, als es aussieht, erlaubt dem eine Film überraschende und „unterhaltende“ Wendungen.
Alexander ist stets begleitet von einem Hund namens „Euer Ehren“ (englisch "Judge"). Das scheint zu seinem bizarren Charakter zu passen. Der wahre Grund ist aber, dass der Hund vor dem Heraufziehen von epileptischen Anfällen warnen kann. Wäre diese Detailkenntnis dem Zuschauer unvertraut, so könnte der Film seinen Unterhaltungsziel mit dieser Figur kaum erreichen. Dass Auren traditionell womöglich zuverlässige Warnsignale bedeutet – dies erzählerisch zu nutzen, wäre weit weniger unterhaltend und auch viel komplizierter; denn die Tatsache dürfte weniger bekannt sein.
Als sich die Gerichtsverhandlung Anna Fitzgerald's gegen ihre Eltern im Gerichtssaal zuspitzt, beginnt Alexanders Hund unruhig zu werden und im Kreis herumzuspringen. Die Richterin hatte nur widerwillig geduldet, dass ihn Alexander wenig überzeugend als seinen Assistenzhund bezeichnet und nicht auf seine Anwesenheit verzichten will. Es geht nun um die Frage, warum Anna auf dem Recht besteht, über den eigenen Körper zu verfügen, und dafür ihre Schwester sterben lassen will.
Alexander muss in diesem Moment die Warnung des Hundes in den Wind schlagen. Mit der Folge, dass er zu spät den Saal verlässt, um den Anfall im Verborgenen vorübergehen zu lassen. Kaum auf dem Gang stürzt er im Anfall und krampft. Anna, die im Film selbst immer wieder kommentierend zu hören ist, sagt dazu aus dem Off: „Es ging ihm nicht um publicity“
"He was an epileptic. He knew what it was like to not have control over his own body.“
Der Anfall in “Beim Leben meiner Schwester” sagt – wenn überhaupt – nichts „Aufklärendes” über Epilepsie. Im Gegenteil er wird mit traditionalem Wissen der Zuschauer – modisch aufbereitet. Er erfüllt aber eine exzellente narratologische Funktion: Er enthüllt die noblen Motive von Annas Anwalt und vervollständigt damit das Bild einer fälschlich für egoistische genommenen, höchst altruistischen Einstellung.
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